Wir kämpfen weltweit gegen den immer schneller werdenden Verlust an Biodiversität - bis zu eine Million Arten könnten in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Gleichzeitig brauchen wir die Vielfalt an Arten und Individuen sowie Ökosystemen, sie ist existenzielle Grundlage allen Lebens und muss daher unbedingt geschützt werden.
Im Zusammenhang mit Naturschutz wird zunehmend auch die Anwendung von Gentechnik diskutiert. Ziele dabei sind beispielsweise, unerwünschte Arten mithilfe transgener Artgenossen auszurotten oder wild lebende Organismen gentechnisch zu verändern, um sie widerstandsfähiger zu machen.
Zudem wird in der EU aktuell über eine weitreichende Abschaffung der Gentechnik-Regeln für Pflanzen verhandelt – damit droht die Gefahr, dass auch gentechnisch veränderte Wildpflanzen ohne Zulassung, Risikoprüfung, Monitoring und damit auch ohne Rückholbarkeit freigesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund haben wir in dieser Veranstaltung mögliche Auswirkungen von Gentechnik auf Umwelt und Natur in den Fokus genommen. Wir stellten die Frage, inwiefern Gentechnik hier ein Risiko darstellt und was es jetzt braucht.
Prominente Unterstützer*innen
Nach zwei prominenten Grußworten von Maria Furtwängler (Schauspielerin, Imkerin, promovierte Ärztin und Mitgründerin der MaLisa Stiftung) und Torsten Ellmann (Präsident Deutscher Imkerbund) folgen vier Fachvorträge unserer Referent*innen:
- Dr. Margret Engelhard (Bundesamt für Naturschutz)
- Dr. Christoph Then (Testbiotech)
- Prof. Dr. Katja Tielbörger (Universität Tübingen)
- Dr. Franziska Koller (Fachstelle Gentechnik und Umwelt)
Dabei wird klar: Mit Anwendungen von (Neuer) Gentechnik an Pflanzen gehen Risiken einher. Wir müssen diese anerkennen, um in Europa eine angemessene Regulierung und einen guten Umgang zu finden. Ein wissenschaftlich geführter Diskurs muss die Risiken offen ansprechen.
Erstmals ermöglichen es gentechnische Verfahren und Werkzeuge wie CRISPR/Cas, in jedem Teil der DNA Veränderungen vorzunehmen und diese Veränderungen innerhalb der jeweiligen Art weiterzuvererben. Die Expert*innen weisen außerdem auf die Relevanz Künstlicher Intelligenz (KI) hin. Dabei geht es vor allem um die Anwendung generativer KI in der Gentechnik, wie bspw. das Design von DNA-, RNA- und Proteinsequenzen).
Auch der Naturschutz gerät zunehmend in den Blick von Gentechnikanwendungen: neben der bekannten Veränderung von Nutzpflanzen, die sich mit ihren veränderten Eigenschaften in die Umwelt auskreuzen und damit Schaden anrichten können, geht es nun auch um die Veränderungen geschützter Arten und Wildpflanzen. All das mit potenziell negativen Auswirkungen auf Biodiversität, Nahrungsnetze und Ökosysteme.
Fokus Wildpflanzen
Einen Schwerpunkt setzen wir auf Gentechnikanwendungen bei Wildpflanzen: hier liegen besondere Umweltrisiken, was die Vorträge von Prof. Dr. Katja Tielbörger sowie Dr. Franziska Koller anhand einiger Beispiele verdeutlichen.
Über die Mehrzahl der mindestens 300.000 Wildpflanzen liegt noch wenig Wissen vor. Umweltrisiken ergeben sich beispielsweise durch negative Konsequenzen einer Auskreuzung von NGT-Pflanzen und ihren neuen Eigenschaften in die Natur aber auch durch Verdrängung vorhandener Arten, ausgelöst durch erhöhte Fitness, oder durch veränderte Inhaltsstoffe. Diese Konsequenzen sind irreversibel und unvorhersehbar. Die Möglichkeit, mit NGT komplett neue Phänotypen zu erzeugen, erhöht die Wahrscheinlichkeit dieser negativen ökologischen Effekte.
Den Expert*innen zufolge zielen zahlreiche Forschungsvorhaben darauf ab, fitnessbezogene Merkmale zu verändern, was die Wahrscheinlichkeit unvorhersehbarer Auswirkungen nach der Auskreuzung erhöht. Grund dafür ist, dass die Verbreitung eines Organismus auch durch die Fitnessrelevanz des Merkmals gefördert wird. Ein Beispiel ist die Pathogenresistenz, die für Pflanzen von Vorteil ist und daher ein großes Potenzial zur Störung ökologischer Interaktionen hat.
Ein weiterer Risikofaktor ist die potenziell sehr große Zahl der neu entwickelten NGT-Pflanzen im Labor: Anders als bei klassischen Züchtungsmethoden und alten Gentechniken können neue Kultursorten und neue Genotypen von Wildpflanzen mit NGT in potenziell sehr großer Zahl entwickelt werden. Dies wird laut Expert*innen die Wahrscheinlichkeit der Ausbreitung in der Umwelt stark erhöhen.
Die Forderung ist klar: Wildpflanzen müssen vor jeglicher Deregulierung geschützt werden. Es braucht eine fallweise Risikoanalyse vor dem Freisetzen in die freie Natur, konsistent mit dem Europäischen Vorsorgeprinzip, sowie ein entsprechendes Monitoring. Auch der BUND fordert die fallweise Risikoprüfung für alle gentechnisch veränderten Pflanzen.
Die Vortragsfolien können Sie hier herunterladen.
Wissenschaftliche Publikationen:
- Positionspapier „Gentechnik, Naturschutz und biologische Vielfalt: Grenzen der Gestaltung“ (BfN)
- FAQ „14 Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Gentechnik (BfN)
- Gesellschaft für Ökologie für Deutschland, Schweiz und Österreich
- 'Was macht das Mammut auf dem Mars?‘ Gentechnik erobert die freie Natur (Testbiotech)
Mehr Informationen:
- BUND Themenseite zu Gentechnik
- Factsheet: 5 gute Gründe für die derzeitigen Gentechnik-Gesetze
- Ökologische Risiken der neuen Gentechnikverfahren
- Gemeinsame Position der Verbände: Keine Deregulierung neuer Gentechnikverfahren
- Fachstelle Gentechnik und Umwelt
Die Veranstaltung entstand als Kooperation des BUND mit dem Deutschen Naturschutzring, Greenpeace, der Greenpeace Umweltstiftung, Aurelia, dem deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund, dem Neuen Imkerbund sowie dem Deutschen Imkerbund.